„Ich komme direkt vom Flugplatz. Konnte mich noch nicht mal waschen!"
Wie wäre es mit Frankfurts derzeitiger Oberbürgermeisterin Petra Roth? Sie will sich nach 17 Jahren aus dem Römer zurückziehen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hätte zur Verfügung gestanden. Er hatte es auch bereits früher anklingen lassen, dass er eigentlich gar nicht so abgeneigt wäre - tja - wäre da nicht der Ausschlussgrund der Opposition gewesen. Dort wurde betont, dass ein CDU-Parteibuch kein Hindernis sei - doch sollte der Kandidat nicht aus der Regierungsmannschaft kommen. Die Grünen hätten den ehemaligen Bundesumweltminister in der Regierung Helmut Kohl, Klaus Töpfer, unterstützt - er wird aber von der SPD abgelehnt. Nicht weil dort Herr Töpfer unbeliebt ist, sondern da dies als erster Schritt zu schwarz-grün hätte Vizepräsidentin des Bundestages) dürfte der SPD zu sehr schwarz-orientiert gewesen sein. Und dann brachte die SPD den heißesten Anwärter, den ehemaligen Pastor und Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde Joachim Gauck, ins Spiel. Doch dieser genoss zunächst keine Unterstützung der Kanzlerin. Schon 2010 stand er als Kandidat der SPD und der Grünen zur Wahl, unterlag jedoch im dritten Wahlgang Christian Wulff. Gauck selbst betonte, er werde nur als gemeinsamer Kandidat antreten. Ansonsten stünde auch er nicht zur Verfügung. Merkel hätte viel lieber einen "Verbündeten im Geiste" - bei Gauck ist dies sicherlich nicht der Fall. Nachdem allerdings auch die Liberalen ihm nicht ganz abgeneigt waren, könnte er den Zuschlag auch in einem historisch einzigartigen Bündnis gegen die CDU/CSU in der Bundesversammlung erhalten. Apropos FDP: In der derzeitigen Verfassung der Partei werden die restlich verbliebenen guten Politiker dringendst selbst benötigt. Einzig der Name Rainer Brüderle fiel schon ein-/zweimal. Doch hatte die Parteispitze die Befürchtung, dass sich die Union mit der Opposition zusammenraufen könnte, ohne auch nur die Gelben zu befragen. Aus der CSU tauchte bislang nur ganz weit hinten der Name Theo Waigel auf, wurde jedoch rasch wieder fallengelassen. Somit konzentrierte sich alles auf Klaus Töpfer bzw. Joachim Gauck. Der 74-jährige Klaus Töpfer gilt als volksverbunden und leutselig. Er scheut sich nicht vor dem direkten Umgang mit den Wählern. Seit 40 Jahren gehört er der CDU an und bildet dort den ökologischen Flügel. Er war es, der unter Kanzler Helmut Kohl nach dem Fall der Mauer die Atomreaktoren der DDR vom Netz nahm. Töpfer allerdings war nicht der Wunschkandidat der FDP. |
Deren Vorsitzender, Philipp Rösler, bezeichnet ihn als "konservativen Weltverbesserer". Töpfer for President wäre wohl tatsächlich der erste Schritt zu einer schwarz-grünen Zusammenarbeit gewesen. Das wollte weder die FDP noch die SPD. Joachim Gauck war einer der großen Bürgerrechtler der DDR. Viel Zeit verbrachte der heute 72-jährige in den Gefängnissen der Stasi. Nach der Wiedervereinigung engagierte er sich im Neuen Forum und dem Bündnis 90. Erste Wahl war er für die Verwaltung der Hinterlassenschaft der Staatssicherheit: Hunderten von Laufmetern an Akten. Er gilt als konservativ, doch auch liberal. Damit ist er eigentlich auch der Wunschkandidat des kleinen Regierungspartners, der 2010 um der Koalitionswillen gegen Gauck gestimmt hatte. Der ehemalige evangelische Pastor führt die Umfragen als "Präsident der Herzen" an. In einer Emnid-Erhebung für die "Bild am Sonntag" haben sich 54 % für Gauck ausgesprochen. Seine Nominierung würde jedoch von Teilen der Bevölkerung, der Medien und insbesondere der Opposition als Niederlage Merkels eingeschätzt werden. Sie würde damit zugeben, dass sie 2010 die falsche Wahl getroffen hatte. Würde Merkel also über ihren Schatten springen?
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist über ihren Schatten gesprungen. Auch wenn es sehr wehgetan hat, musste sie doch eingestehen, dass sie im Jahre 2010 mit Wulff einen Fehler gemacht hatte. Eine Kanzlerin macht keine Fehler! Merkel und Gauck kommen aus der vormaligen DDR. Eigentlich zwei gebrandmarkte Kinder eines autokratischen Regimes, die aber offenbar in unterschiedlicher Richtung denken. Ansonsten hätte sich die Kanzlerin wohl nicht dermaßen gegen Gauck gesträubt. Diesem obliegt nun eine durchaus große Verantwortung: Er muss das Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten zurückgewinnen. Jene Wähler und Wählerinnen überzeugen, die sich angewidert abgewendet haben. Doch wird ihm dies auch zugetraut. Gauck genießt die Unterstützung sehr vieler Menschen unterschiedlichster Couleurs. Allerdings hatte auch er nicht mit Merkels Eingeständnis gerechnet. Gauck befand sich mitten in der Promotion-Tour für sein aktuelles Buch. Die Nachricht ereilte ihn in Wien. Sein erster Satz in der Pressekonferenz lautete in etwa: "Bitte verstehen Sie mich. Ich komme direkt vom Flugplatz. Konnte mich noch nicht mal waschen!" Joachim Gauck - der richtige Mann für diesen wichtigen Job?
(Ulrich Stock)
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20.02.2012 |
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